Dem Ruf der Stimme
Gottes folgen

Pater Richard Henkes im Unterricht

mehr erfahren bestellen
henkes img

Pater Richard Henkes im Unterricht

Die erweiterte Ausgabe der Graphic Documentary führt Jugendlichen auf Grundlage historischer Geschehnisse und überlieferter Briefe das Leben und Wirken des Pallottinerpaters eindrücklich und lebendig vor Augen. Eine Lehrerhandreichung lädt zum fächerverbindenden Lernen ein.

von Andreas Thelen-Eiselen

Pünktlich zur Seligsprechung von Pallottinerpater Richard Henkes erschien die Graphic Documentary mit dem Titel „Und wenn die Wahrheit mich vernichtet – Pater Richard Henkes im KZ Dachau“. Ein Comic über das Leben von Richard Henkes im KZ-Dachau? Und Richard Henkes als Comic-Held? Geht so etwas? Bei der Graphic Documentary zu Pater Henkes handelt es sich um eine neue Literaturform, eine Art „Hybridtext“. William Erwin Eisner, ein US-amerikanischer Zeichner von Comics, gilt als Begründer dieser comicähnlichen Werke, die ursprünglich als Graphic Novel bekannt wurden. Eisner bezeichnete sie als „a form of comic book“. Sprech- und Gedankenblasen sind am Comic angelehnt, während die Bilder – mit oder ohne Text – die Handlung erzählen. Dabei werden die Möglichkeiten von Bild-Text-Kombinationen, wie z.B. in Bilderbüchern oder Comics, überschritten. Die Graphic Novel schafft etwas Neues: Sie verbindet die Vielschichtigkeit des Erzählens mit den Bildern zu einer illustrierten Erzählung mit komplexer Handlung. Anstelle der stereotypen Charaktere in Comics tauchen nun vielschichtige und wandelbare Figuren auf. Längst schon hat die Graphic Novel in allen Altersgruppen Leserinnen und Leser gefunden, denn neben unterhaltsamen Themen werden auch ernste und gesellschaftlich bedeutsame Ereignisse behandelt und dokumentiert, wie bei Pater Richard Henkes. Die Orientierung an historischen Fakten und die Einbeziehung überlieferter Quellen führt zu einer stark dokumentarischen Illustration über das Leben und Wirken des Pallottinerpaters, weshalb es sich um eine Graphic Documentary handelt.

henkes img

Kostenlos: Ein Leben in Bildern - Der selige Richard Henkes

Das Praxismaterial des EULENFISCH zeigt Lebensstationen in Bild und Text für den Einsatz im Unterricht.

Download

Richard Henkes mit Schülern behandeln

Für den Einsatz im Unterricht eignet sich insbesondere die „erweiterte Ausgabe“ der Graphic Documentary. In acht Kapiteln können sich die Schülerinnen und Schüler den verschiedenen Lebensabschnitten von Richard Henkes nähern, wobei jedes Kapitel durch thematisch vertiefende Texte oder Briefe des Pallottinerpaters erweitert ist. Die Texte stellen eine überarbeitete Fassung der biografischen Erzählung „Ein Lebensbild“ von Pallottinerpater Alexander Holzbach dar.

Die Graphic Novel hat mittlerweile als Adaption von großen literarischen Werken oder als eigenständige Form erzählender Literatur in den Unterricht Einzug gehalten, wie beispielsweise die Graphic Novels „Anne Frank“, „Sophie Scholl“, Goethes „Faust“ oder „Die Verwandlung“ von Kafka zeigen. Wenngleich sich manchem buchaffinen Lehrer Sorgenfalten bilden angesichts der Textfülle bedeutender literarischer Werke im Verhältnis zur Graphic Novel, so birgt doch die graphische Erzählung einen Eigenwert, indem die visuelle Ebene einbezogen wird, wodurch sich neue Deutungsmöglichkeiten eröffnen.

Zudem wachsen die Kinder und Jugendlichen angesichts der modernen Medien und Kommunikationsformen heute in einer stark von Bildern geprägten Welt auf. Bei der Lektüre einer Graphic Novel sind Sehverstehen, lesendes Verstehen und die Wahrnehmung der Farben und Formen von großer Bedeutung. Ebenso müssen die Panel-Sequenzen und Kompositionen erkannt und verstanden werden. Die multiliterale Auseinandersetzung zwischen Bild und Text verlangt von den Schülerinnen und Schülern ein gewisses Verständnis von Intertextualität. Zudem kann eine ansprechende Darstellungsweise in der Graphic Novel auch „Lesemuffel“ motivieren, sich eingehender mit dem Inhalt zu befassen.

Die Auseinandersetzung mit dem Unrecht und den Verbrechen des Nazi-Regimes im Dritten Reich führt im Religionsunterricht zu der Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Christen zur Ideologie und dem Staat der NS-Zeit. Dabei bietet die Behandlung des Themas den Jugendlichen Lernchancen, politische Missstände zu entlarven und Beispiele für Zivilcourage und großen persönlichen Mut zu entdecken. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass und warum Christen ihrem Gewissen als „Ruf der Stimme Gottes“ folgten und aktiv Widerstand leisteten. Der Pallottinerpater Richard Henkes ist ein Beispiel solchen christlichen Bekennermuts und handelte bis zuletzt nach seinem Glauben und Gewissen. Früh schon wählte Henkes ein hohes persönliches Ideal: „aut Caesar – aut nihil“, alles oder nichts. Kritisch überprüfte er die Aussagen der nationalsozialistischen Propaganda und entlarvte die menschenfeindliche Ideologie des NS-Regimes. Auf der Kanzel, in Vorträgen und bei Exerzitien prangerte Henkes die Verbrechen der Nazis an, verurteilte die Tötung von Behinderten und psychisch Kranken, verteidigte die Freiheit und Würde aller Menschen und pflegte freiwillig die schwerkranken Häftlinge nach Ausbruch der Typhusepidemie im Konzentrationslager Dachau.

Über die singuläre historische Situation hinaus können die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass auch gegenwärtig in Zeiten von Krisen, Konflikten und Flucht extremes Gedankengut an Popularität gewinnt. Die rechtsextreme Szene weiß das für sich zu nutzen, indem sie mit den Ängsten, Sorgen und Befürchtungen mancher Menschen spielt und ethnische Gruppen für die gesellschaftlichen Missstände verantwortlich macht. Umso wichtiger ist es, die Jugendlichen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu sensibilisieren und zu verdeutlichen, dass es in der Verantwortung jedes Einzelnen liegt, diese Werte zu verteidigen.

Lehrerhandreichung zur erweiterten Ausgabe

Das Arbeitsheft „Und wenn die Wahrheit mich vernichtet“ setzt sich mit dem Leben und Wirken von Pater Richard Henkes auseinander. Anhand von 6 Bausteinen bietet die Lehrerhandreichung abwechslungsreiche Unterrichtsvorschläge für die Sekundarstufe. Alle Arbeitsmaterialien beziehen sich auf die erweiterte Ausgabe der Graphic Documentary, die als Lektüre und Grundlage für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern dient. Aufgrund der Thematik sowie der Literaturform der Graphic Documentary bietet sich insbesondere das fächerverbindende Lernen mit den Fächern Religion, Geschichte und Deutsch an, sodass die Inhalte und Themen der einzelnen Fächer in einen Sinnzusammenhang gestellt und aufeinander bezogen werden können. Auf diese Weise können sich die Jugendlichen über einen Zeitraum hinweg intensiv und differenziert mit dem Themenbereich befassen und lernen gleichzeitig die Besonderheiten des jeweiligen Fachs kennen.

Der erste Baustein konfrontiert mit den unmenschlichen und lebensbedrohlichen Umständen im Konzentrationslager Dachau. Trotz der unvorstellbaren Verhältnisse wird deutlich, dass der Glauben vielen eine Kraftquelle war und dabei Trost sowie Zuversicht in der lebensfeindlichen Umgebung spendete.

Im zweiten Baustein steht die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau von 1933 bis zur Gegenwart im Mittelpunkt. Dabei richtet sich der Blick auf die angrenzenden Gedenkorte, das ehemalige Außenlager Mühldorf, die Geistlichen im KZ Dachau, die Aussagen von Zeitzeugen und die Märtyrer des Glaubens.

Der dritte Baustein lenkt den Blick auf die Person Richard Henkes und sein Verständnis vom Priester-Sein als Kreuzträger für andere. Im Mittelpunkt stehen die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, die Studienjahre in Limburg, die Pflege des kranken Mitbruders Franz Xaver Salzhuber und die Krisenzeit vor seiner Priesterweihe.

henkes img

Kostenlose Leseprobe: Baustein 4

Das Reichskonkordat und die Enzyklika „Mit brennender Sorge“
24 Seiten / inkl. Arbeitsblätter

Download

Im vierten Baustein steht die Auseinandersetzung mit dem Reichskonkordat, welches das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl regeln sollte, und der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ im Fokus, in der Papst Pius XI. gegen die Konkordatsbrüche protestierte und dem NS-Regime eine kirchliche Absage erteilte. Pater Henkes hat die Enzyklika am 21. März 1937 dreimal von der Kanzel verlesen. Ebenso protestierte er öffentlich gegen das sogenannte „Euthanasie“-Programm der Nazis und verurteilte die Mordaktion. In Hadamar, unweit des Heimatorts von Pater Henkes, befand sich eine von insgesamt sechs Tötungsanstalten, die im Rahmen des „Euthanasie“-Programms der Nationalsozialisten errichtet wurden.

Daher befasst sich der fünfte Baustein mit der NS-Rassenhygiene, der Ersten und Zweiten Mordphase, dem Protest des Münsteraner Bischofs von Galen, der Tötungsanstalt Hadamar sowie den Tätern und Opfern.

Der sechste Baustein blickt auf den Lebensweg von Richard Henkes bis zu seinem Tod zurück, seine persönliche Spiritualität, die Kraft seines christlichen Glaubens und sein Gottvertrauen. Gleichzeitig richtet sich der Blick in die Zukunft: Was ist Rechtsextremismus? Welche Gefahren gehen vom Rechtsextremismus aus? Wie kann damit umgegangen werden und welche Verantwortung trage ich als Staatsbürger und Christ?

In der Auseinandersetzung mit Pater Richard Henkes können die Schülerinnen und Schüler erkennen, weshalb es auch heute noch von Bedeutung ist, sich als Staatsbürger und Christ für politische Gerechtigkeit und die Einhaltung der Menschenrechte mit persönlichem Engagement einzusetzen: „Wir sollten uns bemühen, unseren berechtigten Stolz anders zu verstehen als in Aufmärschen und kraftvollen Demonstrationen, in Uniformen, und überheblichen Parolen, gesichert in der stumpfen Ballung der Massen … Das Leben ist der Ernstfall.“ 1

1 Manfred Probst SAC: Glaubenszeuge im KZ Dachau – Das Leben und Sterben des Pallottinerpaters Richard Henkes (1900-1945). Pallotti-Verlag, Friedberg. 3. Auflage 2014, 116f. und Georg Reitor: Licht in der Finsternis. Richard Henkes, Pallottis Werk 42 (2/1991), 10f.